«Mathematik, Physik und Informatik als Schulfächer haben gemeinsame Wurzeln und ähnliche Zielsetzungen. […] Die drei Fächer denken in abstrakten Systemen und nutzen konsequent formale Sprachen. Zudem bauen sie auf formellen abstrakten Abläufen auf, denen ein algorithmisches Denken zugrunde liegt. Sie bieten darüber hinaus ein Trainingsfeld für eine systematische Problemanalyse, das Entwickeln von Lösungsstrategien und das kritische Evaluieren von Lösungen.»

Die Informatik ist nicht oberflächlich begreifbar. Wie das Positionspapier des SVIA und VSMP über Informatik als Grundlagenfach treffend besagt:

Spannend

Ein Verständnis von Informatik verleiht uns allen Einblicke in die Dynamiken der Welt. Wie in der Mathematik und Physik können wir in der Informatik Modelle der Wirklichkeit oder der Zukunft erstellen. In der Informatik sind die Modelle ausführbar: Wir können unsere vereinfachte oder erträumte Wirklichkeit simulieren und in unserer Simulation beliebige Aspekte beobachten und manipulieren.

Wir können nicht nur eigene Welten erschaffen und erkunden, wir können auch unsere reale Welt besser begreifen. Die Informatik erlaubt es uns, für bestimmte Fragestellungen Antworten abzuleiten. So können wir beispielsweise Aussagen von Interessenvertretern überprüfen, indem wir vertrauenswürdige Rohdaten (zum Beispiel vom Bundesamt für Statistik) analysieren und interpretieren.

Spannender Informatikunterricht kann auf Beispielen und Übungen basieren, die Schüler:innen ihr stets wachsendes Verständnis der Materie praktisch erfahren lässt. Dabei sollte auch die ethische Verantwortung der Lernenden in Bezug auf die diversen Einsatzmöglichkeiten ihrer Informatikfähigkeiten thematisiert werden.

Korrekt

Die Informatik basiert auf formalen Sprachen und Systemen. Für guten Informatikunterricht ist die Korrektheit unserer Unterrichtsmaterialien und Aussagen
essenziell. Mehrdeutigkeit und imperfekte Analogien sind für die Entwicklung
eines soliden Verständnisses hinderlich. Diese Stolpersteine sind allerdings nicht
beschränkt auf die Informatik. Wie folgt
beschrieb es der bekannte Physiker Richard Feynman, nachdem er für die kalifornische Curriculum-Kommission eine fünf Meter lange Reihe von Mathematik-Schulbüchern begutachtet hatte:

«[The books] would try to be rigorous, but they would use examples (like automobiles in the street for «sets») which were almost OK, but in which there were always some subtleties. The definitions weren’t accurate. Everything was a little bit ambiguous.»

Untersuchungen zu Fehlvorstellungen im Programmierunterricht führen oft zu mehrdeutigen oder gar inkorrekten Unterrichtsmaterialien – von Lehrbüchern über im
Unterricht verwendete Diagramme bis hin zu notionalen Maschinen – als Ursprung für Fehlvorstellungen der Schüler:innen. Nur ein solides und tiefgehendes Verständnis der zu unterrichtenden Konzepte hilft, diese Schwächen zu erkennen und zu korrigieren.

Verständlich

«We begin with the hypothesis that any subject can be taught effectively in some intellectually honest form to any child at any stage of development.»

Diese Aussage Jerome Bruners impliziert, dass auch tiefgreifende Informatikkonzepte auf beliebigen Schulstufen wirkungsvoll unterrichtet werden können.
Der Schlüssel dazu ist die Vereinfachung. So kann man zum Beispiel die essenziellen Konzepte der Programmierung auch mit simplen, formal korrekt gestalteten Sprachen lehren, anstatt eine komplexe, in der Industrie verbreitete (und mit unzähligen Ausnahmen und Macken behaftete) Sprache zu verwenden. Die momentan in Schulen beliebte Sprache Python zum Beispiel ist formal betrachtet etwa vier- bis zwölfmal so umfangreich wie Racket BSL, die wir als erste Programmiersprache an der USI in Lugano unterrichten. Auch wenn man als Lehrperson von der extra Komplexität abzulenken versucht: Die Schüler:innen werden trotzdem damit konfrontiert; sei es mit Fehlermeldungen, in Code-Beispielen aus dem Internet oder KI-generierten Lösungen von Programmieraufgaben.

Die Informatik als Lernbereich ist sehr komplex und ermöglicht und erfordert gerade deshalb spannenden, korrekten und verständlichen Informatikunterricht.

 

Matthias Hauswirth ist Associate Professor an der USI (Università della Svizzera italiana) in Lugano. Sein Spezialgebiet sind Programmier­sprachenkonzepte in der Bildung.