Sie haben Informatik studiert. Was hat Sie dazu bewogen?
Wir hatten schon früh Computer zu Hause, da mein Vater in der IT-Branche tätig war. Ich war etwa zehn Jahre alt, als ich erstmals einen PC nutzen durfte. Damals war das noch nicht üblich. Ich erinnere mich gut an meinen ersten Besuch in einem Internetcafé in Zürich. Mich hat das sofort fasziniert. In den Teenagerjahren hatte ich bereits einen eigenen Computer in meinem Zimmer, und für mich war damals schon klar: Ich will Informatikerin werden. Ich entschied mich für Wirtschaftsinformatik an der Universität Zürich, weil mich die Praxisnähe dieses Studiums überzeugte.
Diese Entscheidung würden Sie also wieder treffen?
Ja, definitiv. Schon während der Zeit am Gymi habe ich für KMU-Websites erstellt und damit Geld verdient. Auch durfte ich einmal während der Sommerferien in der Firma meines Vaters aushelfen und habe dort eine einfache MS Access Datenbank für Kundendaten entwickelt – diese war dann tatsächlich einige Jahre im Einsatz, bis ein richtiges CRM eingeführt wurde. Die Begeisterung war da, und das Studium hat genau zu meinen Interessen gepasst. Zudem konnte ich parallel zum Studium in einem Teilzeitpensum bei der IBM arbeiten, was mir natürlich spannende Einblicke in die Praxis gegeben hat.
Sie entdeckten also schon früh Ihre Leidenschaft für Informatik. Wie ging es weiter?
Nach der Zeit als Werkstudentin bei der IBM habe ich in die Beratung gewechselt. Die ersten Jahre weiterhin bei der IBM, danach bei Deloitte im Bereich Data Analytics – meine Masterarbeit hatte bereits Data Mining zum Thema. Danach folgten Stationen bei der Zürich Versicherung, bis ich schliesslich zur Hasler Stiftung kam. Hier schliesst sich der Kreis für mich: Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie Technologie unser Leben verändert. In der Wirtschaft habe ich internationale Projekte durchgeführt, globale Plattformen mit aufgebaut und neue Arbeitsformen eingeführt – das alles war spannend, und doch fehlte etwas. Der Wechsel zur Hasler Stiftung ermöglicht es mir nun, meine Begeisterung für Informatik mit der Unterstützung zukunftsweisender, gesellschaftsrelevanter Projekte zu verbinden. So freut es mich zum Beispiel ausserordentlich, dass sich die Hasler Stiftung an Projekten wie dem Informatik-Biber beteiligt – ein Projekt, das vom SVIA in die Schweiz geholt wurde.
Welche weiteren spannenden Aspekte umfasst Ihre heutige Tätigkeit?
Mich fasziniert der Einfluss der Informatik auf unsere Gesellschaft. Nicht die Technik als Selbstzweck, sondern als Motor für Fortschritt. In meiner Arbeit bei der Hasler Stiftung habe ich täglich mit spannenden Fragenstellungen zu tun, die sich genau damit beschäftigen. Wir fördern sowohl Forschungs- als auch Bildungsprojekte im Bereich der ICT. Unsere Herausforderung ist es, jene Projekte zu identifizieren, die den grössten Impact haben. Meine Rolle ist vielseitig: viel Netzwerkarbeit, Gespräche mit Expert:innen und das Finden von Initiativen, die etwas bewegen. Gleichzeitig beinhaltet meine Arbeit auch pragmatische Aufgaben wie das Beurteilen von Projektanträgen. Für diese Prüfungen sind wir oft auf fachliche Unterstützung angewiesen – insbesondere im Bildungsbereich profitieren wir dabei von der im SVIA gebündelten Expertise, etwa bei der Beurteilung von Projektideen.
Sie haben erwähnt, dass es sehr viele Projekte und Initiativen im Bereich Informatik gibt, bei denen Anträge für Fördergelder gestellt werden. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Einerseits ist die Unterscheidung zwischen reiner Informatikanwendung und echter Innovation bzw. Informatikbildung massgeblich. Zudem müssen wir sicherstellen, dass die Projekte, die wir fördern, nicht nur kurzfristige Effekte haben, sondern auch nachhaltig wirken. Gerade im Bereich der Bildungsförderung gibt es viele grossartige Initiativen, aber wenn diese nur durch Fördergelder am Leben erhalten werden, ist dies auf lange Frist problematisch. Deshalb fördern wir parallel stets auch Projekte und Vorhaben, die einen dauerhaften Einfluss auf die Gesellschaft und das Bildungssystem haben – sodass die kurzfristigen «Pflästerli» irgendwann überflüssig werden.
Auch hier kommt der SVIA mit ins Spiel – nämlich um sicherzustellen, dass der Informatikunterricht nachhaltig und effektiv im Schulsystem integriert wird – dies benötigt bildungspolitisches Engagement, Förderung der Lehrpersonenausbildung, die konstante Weiterentwicklung von Unterrichtsmaterialien und natürlich auch Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
Wo sehen Sie in Bezug auf den Informatik-Unterricht die grössten Herausforderungen?
In dieser Frage kennen sich die SVIA-Mitglieder vermutlich besser aus als ich, aber ich wage trotzdem mal eine Aussage und freue mich auf Rückmeldungen und konstruktive Diskussionen.
Oft höre ich, dass an vielen Schulen eine «Anti-Bildschirm-Haltung» Einzug nimmt. Dies ist aus pädagogischer Sicht nachvollziehbar im Kontext von Handysucht, doomscrolling, etc. – aber es drängt die Informatik in eine unglückliche Ecke. Informatikkompetenz ist nicht gleich Mediennutzung und Social Media – es geht darum, zu verstehen, wie digitale Systeme funktionieren – gewisse Grundkonzepte lassen sich natürlich auch offline vermitteln, aber natürlich geht es dann schnell in die praktische Umsetzung, wozu nun mal in den meisten Fällen Bildschirme und Technologie benötigt werden. Aber wieso sollen Computer und Bildschirme verboten sein, solange sie als Werkzeug benutzt werden?
Die rasante Entwicklung im Bereich der Informatik ist ebenfalls eine Herausforderung. Wie stellt man als Lehrperson sicher, dass man am Ball bleibt und dass die verwendeten Lehrmittel nicht komplett veraltet sind. Bei den Grundlagen ist das stabil, aber ich kann mir vorstellen, dass es immer öfter auch Situationen gibt, wo einzelne Kinder mehr wissen als die Lehrperson. Das benötigt ein Umdenken in der Art und Weise, wie unterrichtet wird. Und hier sind wir nun schon bei einem meiner liebsten Themen: nämlich der Einfluss der technischen Entwicklung auf unseren Alltag und die Art und Weise, wie wir interagieren, sei es privat, beruflich oder eben in der Schule. In Unternehmen ist heute die Chefin in der Regel nicht mehr die Person, die alles am besten weiss und kann, sondern übernimmt eher die Rolle, ihrem Team eine möglichst produktive Arbeitsumgebung zu schaffen. In der Schule kann es vorkommen, dass die Lehrperson bei einzelnen Themen weniger weiss als die Schülerinnen und Schüler. Ihre Aufgabe ist es dann vor allem, ein konstruktives und anregendes Umfeld inkl. positiver Lern- &Fehlerkultur zu schaffen, in dem Wissen selbstständig angewandt, vertieft und erweitert werden kann. Dabei geht der Lerneffekt weit über das Erlernen technischer Kompetenzen hinaus.
Gibt es einen aktuellen Trend, der Sie besonders beschäftigt?
Ja, und auch dieser ist an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik: nämlich die Frage, wie die Digitalisierung unsere Demokratie verändert. Wir haben dazu kürzlich ein Programm «Digitalisierung und Demokratie» lanciert. Die Digitalisierung beeinflusst demokratische Prozesse massiv – sowohl positiv als auch negativ. Wie können wir sie nutzen, um mehr Menschen einzubinden, und gleichzeitig Risiken wie Desinformation minimieren? Das beschäftigt mich sehr, gerade wenn man sieht, wie stark die Gesellschaft von Technologie und somit auch den grossen Tech-Konzernen abhängig geworden ist – gewisse Konzerne sind heute mächtiger als die demokratisch gewählten Institutionen. Digitale Bildung spielt hier eine zentrale Rolle: Die Menschen müssen beispielsweise verstehen, wie Datenökonomie funktioniert. Wie kann ein Onlineprodukt kostenlos sein? In vielen Fällen bezahlen wir es mit der Angabe unserer Daten. Auch das Thema Sicherheit im digitalen Raum ist wichtig und beschäftigt mich.
Wie können wir Jugendliche für Informatik begeistern?
Indem wir zeigen, wie man mit Informatik-Berufen die Welt gestalten kann. Ob im Kampf gegen den Klimawandel, bei der Entwicklung neuer medizinischer Lösungen oder bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen – Informatik kann in all diesen Bereichen zu Lösungen beitragen. Das motiviert junge Menschen mehr als die stereotype Vorstellung, den ganzen Tag am Computer zu sitzen und etwas zu programmieren. Dabei sind Vorbilder wichtig: «You can’t be what you can’t see». Jugendliche brauchen Identifikationsfiguren. Es gibt viele inspirierende Informatik Persönlichkeiten, die wir sichtbarer machen müssen. Und schliesslich: Perspektiven aufzeigen. Informatik ist heute in jeder Branche relevant. Wer diese Skills hat, kann in nahezu jedem Kontext arbeiten.
Welche Skills sind für die digitale Zukunft essenziell?
Neben technischen Grundkenntnissen sind Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft essenziell. Neugier, kritisches Denken und die Fähigkeit, Informationen zu hinterfragen, werden immer wichtiger, gerade auch im Zeitalter von künstlicher Intelligenz und sich immer schneller entwickelnden Technologien. Und gerade die menschlichen Qualitäten Empathie und Teamfähigkeit sind nicht automatisierbar und werden deshalb in Zukunft besonders gefragt sein.
Was sollte Ihrer Meinung nach ein «guter» nachhaltiger Informatikunterricht beinhalten?
Es muss um mehr als Anwendung gehen, es müssen auch die Grundlagen vermittelt werden, wie informatische/digitale Systeme im Hintergrund funktionieren. Ich erachte dies in der heutigen digitalen Welt als genauso wichtig wie zum Beispiel Mathematik. Das lernen wir auch, obwohl wir heute jederzeit einen Taschenrechner zur Verfügung haben. Wir lernen auch Geografie und Geschichte, und verlassen uns nicht nur auf Wikipedia und Google Maps. Denn auch diese Fächer gehören ganz klar zur Grundbildung.
Zudem muss Informatikunterricht aus meiner Sicht – sobald die Grundlagen gesetzt sind – interdisziplinär sein und möglichst früh den Praxisbezug herstellen, kreativ und greifbar sein indem z.B. konkrete physische oder digitale Produkte erstellt werden und somit automatisch auch Spass machen. Wie einführend erwähnt, ist Informatik ein Mittel zum Zweck und je klarer und sichtbarer dieser Zweck für die Kinder ist, umso grösser schätze ich die Chancen ein, dass sie auch Freude und Begeisterung erfahren und sich später vielleicht sogar für einen Informatik-nahen Beruf entscheiden.
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