Informatikunterricht im Tessin
Die Informatik wird zwar im Lehrplan nicht explizit erwähnt, doch finden sich zahlreiche Kompetenzen und Konzepte, welche für die Informatik zentral sind, auf allen Schulstufen wieder. Im Rahmen des fächerübergreifende Kompetenzbereiches “Technologie und Medien” nennt der Lehrplan dabei unter anderem Kompetenzen wie die “Erstellung digitaler Artefakte”, das “Erkennen der Elemente und Merkmale einer Anweisung oder eines Befehls zur Durchführung einer bestimmten Handlung” oder das “Organisieren, Entwerfen und Anwenden von Anweisungen in der digitalen Welt, um ein Problem zu lösen”. Zahlreiche der genannten Kompetenzen lassen sich dem “Computational Thinking” bzw. “computergestützten Denken” zuordnen.
Informatikunterricht mit angehenden Lehrpersonen
Am Departement Bildung und Lernen der Pädagogischen Hochschule (SUPSI-DFA/ASP) lernen angehende Lehrpersonen im Rahmen ihres Bachelorstudiums und ihrer Weiterbildung, digitale Werkzeuge zur Erstellung digitaler Artefakte einzusetzen. Kindergarten- und Primarlehrpersonen setzen sich mit Aspekten der Informatik, des informatischen Denkens, der Programmierung mit Scratch und Scratch Jr. sowie der pädagogischen Robotik auseinander. Das Weiterbildungsprogramm bietet ein Zertifikat für Fortgeschrittene in pädagogischer Robotik an, bei dem die Informatik durch die Programmierung von pädagogischen Robotern wie Thymio oder Lego Mindstorm EV3 erforscht wird.
In diesen Kursen haben die Studierenden die Möglichkeit, sich durch eine Reihe von spielerischen oder spielbasierten Lernaktivitäten mit der Programmierung vertraut zu machen.
Gamification und spielerisches Lernen im Unterricht
Im Bachelorstudium führen wir Informatik unplugged (d.h. ohne Computer) unter anderem über den Wettbewerb Informatik-Biber ein. Das Programmieren mit Scratch wird zunächst mit Hilfe einiger Tutorials erlernt. Anschliessend entwickeln die Studierenden damit ihre eigenen kleinen Videospiele. Die Vorteile dieses Ansatzes zur Einführung in die Programmierung sind folgende: Einerseits motiviert der spielerische Aspekt die Schüler:innen, ihre eigenen Spiele zu entwickeln. Andererseits zeigt dieser Ansatz, dass die Entwicklung von Videospielen – übrigens ein sehr motivierendes Thema für Grundschüler:innen der ersten und zweiten Klasse – eine Kunst ist, die verschiedene Kompetenzen und Fächer miteinander verbinden kann. Die Studierenden erhalten einen Einblick in Aktivitäten, die in den letzten Jahren bereits erfolgreich in einigen Grundschulen des Kantons durchgeführt wurden: Lehrerinnen und Lehrer entwickelten mit ihren Klassen Videospiele oder interaktive Geschichten, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Kunstwerke aus dem Kunstunterricht mit Aufnahmen ihrer eigenen Stimme oder ihrer eigenen Instrumente aus dem Musikunterricht verknüpften. Diese Aktivitäten motivieren die Schülerinnen und Schüler, Programmieren zu lernen. Gleichzeitig erfahren sie, wie viel interdisziplinäres Wissen aus verschiedenen MINT-Fächern notwendig ist, um ein vollständiges digitales Artefakt zu erstellen.
In den Robotik-Kursen, sowohl auf Bachelor- als auch auf Weiterbildungsebene, werden die Studierenden mit Hilfe eines Escape Rooms in die Thymio-Programmierung eingeführt. Ihre Aufgabe besteht darin, drei Thymio-Roboter korrekt zu programmieren, um eine bestimmte Aufgabe innerhalb einer vorgegebenen Zeit zu erfüllen. Diese spielerische Lernaktivität verbindet die Rätsel des Escape Rooms mit Informatikkenntnissen durch eine fesselnde Erzählung: Um die Welt zu retten, müssen die Schüler:innen die Grundlagen des Programmierens mit VPL, einer der Thymio-Programmiersprachen, erlernen. Nach der Spielphase erfolgt eine Nachbesprechung, in der die Schüler:innen die Lerninhalte, die während des Spiels aufgetaucht sind, konzeptualisieren.
Gamification und spielerisches Lernen ausserhalb des Klassenzimmers
Weitere Beispiele für Escape Rooms im Bereich Informatik und Robotik wurden auf dem Festival della Scienza 2022 in Genua, Italien, und auf der Sportech 2023 in Tenero vorgestellt. Während dieser Wissenschaftsmessen konnten sich Schulklassen anmelden und einen Escape Room spielen. Die Aufgabe bestand darin, eine Programmiersprache zu wählen (entweder Scratch oder VPL) und einen Thymio so zu programmieren, dass er dem schnellsten Weg folgt. Die während der Veranstaltung gesammelten Daten flossen in eine Veröffentlichung ein, die auf der Internationalen Konferenz über die Interaktion zwischen Kindern und Robotern 2023 in Mailand vorgestellt wurde. In der Veröffentlichung “Welche Programmiersprache sollte gewählt werden, um Kinder vom Kindergarten bis zur 12. Klasse anzusprechen und ihr Interesse am Programmieren zu wecken” wurde diskutiert, welche Sprache für die Programmierung von Thymio bevorzugt werden sollte. Beide Escape-Spiele sind frei verfügbar unter www.roteco.ch.
Ein weiteres interessantes Beispiel ist ein Escape Room zum Thema “Computational Thinking” von Swiss TecLadies im Tessin. Der Escape Room beschäftigte sich mit dem Leben zweier Forscherinnen und den Gründen, die zu ihrer MINT-Karriere geführt haben.
Ausblick
Unsere qualitativen Beobachtungen während gamifizierter und spielbasierter Lernaktivitäten sowohl auf Universitätsebene als auch auf den genannten Schulstufen zeigen deutlich, dass beide Zielgruppen durch diese Inhalte gut motiviert werden können. Im Tessin wollen wir deshalb die Dynamik, die durch diese Aktivitäten entstanden ist, weiter vorantreiben. Wir werden die Informatik als Fach vertiefen und uns an die Gymnasien wenden, in denen Informatik ab dem Schuljahr 2022/2023 offiziell als Fach eingeführt wurde.
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